Montag, 13. August 2012



















Aus der Not ihrer minderen Sprachbegabung verstanden es Männer häufig, eine Tugend zu machen. Doris Jonas erzählt von einem Indianerstamm, dessen Männer bei bestimmten Gelegenheiten absolut stumm bleiben müssen:
"Es gibt bis auf den heutigen Tag Indianer, denen die Tradition vorschreibt, daß Männer die Sprache nur spärlich benutzen dürfen und sich untereinander mittels Gesten zu verständigen haben." (Jonas, 1982, 78)
Sie folgert aus dem Schweigen der Indianer:
"Es könnte sehr wohl so gewesen sein, daß der frühmenschliche Mann eine Tugend aus seiner Sprachuntüchtigkeit machte, zumal seine Hauptaufgabe, die Jagd, sowieso komplette Stille erforderte." (Jonas 182, 209)






Mozart gestaltet in seiner Oper Die Zauberflöte ein Einweihungsritual, das den Mann durch Schweigen zur Erlösung führt. Das Schweigen ist ein Element vieler männlicher Einweihungsrituale, Einweihungsriten und Jünglingsweihen (Neumann 1953, 142), und so geht Mozarts Idee - auch wenn sie vordergründig dem Freimaurertum entlehnt ist - auf sehr alte patriarchale Initiationsgebräuche zurück. Schikaneder, der Textdichter, schöpfte aus verschiedenartigen Quellen. Die Oper stützt sich anfangs auf matriarchale Mythen und stellt erst im zweiten Teil das patriarchale Schweigegebot in den Mittelpunkt der Handlung." Die Konstruktion des Textes beruhte anfangs auf dem Märchengegensatz von der guten Fee und dem bösen Zauberer." (Neumann 1953, 126)
Die meisten Märchen gehen auf matriarchale Urmythen zurück, und es läßt sich nicht übersehen, "daß es sich bei der Königin der Nacht um eine uralte weibliche Gottheit handelt." (Neumann 1953, 126). Mozart prägt den Charakter der Großen Göttin durch die grandios monumentale musikalische Gestaltung bei allen Auftritten der Königin der Nacht - sicher ohne sich dessen bewußt zu sein. Nachdem die Oper zur Hälfte in Musik gesetzt war, forderte der Komponist von seinem Textdichter eine grundsätzliche Umgestaltung des Textes. Im zweiten Teil der Oper verkörperte die Königin der Nacht das Prinzip des Bösen, während Sarastro, der böse Zauberer, der Pamina, die Tochter der Göttin, schimpflich entführt hatte, zum Priester des Guten, zum Heiligen und Erlöser wird. Im ersten Akt vertraut die Göttin - in ihrer Erscheinung als Königin der Nacht - Tamino, dem Geliebten der Tochter, deren Rettung an - ein matriarchales Heldenritual, wodurch der Mann sich gegenüber der Mutter als würdig erweisen muß, die Tochter zu erringen. Im zweiten Akt wird Tamino durch den Priester Sarastro in die patriarchale Welt eingeweiht. Auf seinem Initiationsweg muß er schweigen. Drei Knaben, Repräsentanten des männlichen Prinzips, rufen dem Prüfling das Motto für seine Einweihung zu:





"Zum Ziele führt dich diese Bahn,
Doch mußt du, Jüngling, männlich siegen.
Drum höre unsere Lehre an:
Sei standhaft, duldsam und verschwiegen."






Demgegenüber wird die Frau zur Schwätzerin: "Ein Weib taugt wenig, plaudert viel!" sagt der Priester, während Tamino sich geringschätzig über das "Geschwätz, den Weibern nachgesagt" äußert. Der Mann soll seine Gedanken verschließen:





"Von festem Geiste ist der Mann,
Er denket, was er sprechen kann."






Pamina ist über das Schweigen des Geliebten verzweifelt. Die Kommunikation zwischen beiden ist zerstört. Während Tamino glaubt, sich durch sein Schweigen standhaft erweisen zu müssen, fühlt sich Pamina einsam, verlassen und verraten. Sie sieht nur einen Ausweg gegenüber der Untreue des Geliebten, den Selbstmord. Die drei Licht-Knaben des Sarastro hindern Pamina und erklären ihr den männlichen Initiationsweg, der über Dunkel zum Licht, über Verzicht zur Erfüllung führe:





"Ein Weib, das Nacht und Tod nicht scheut,
Ist würdig und wird eingeweiht!"






Schweigen wird mit Selbstbeherrschung, Härte und Bewußtseinsentwicklung verwechselt. Mit seinem "oberen, männlichen Bewußtsein" wehrt sich der Mann gegen die unbewußten Kräfte, die ihn bedrängen, so daß er sich selbst überschätzend und überheblich gegen all die Verhaftungen anrennt. Daraus folgt die anmaßende, für das männliche Denken selbstverständliche, Forderung nach Herrschaft über die Frau:





"Ein Mann muß eure Herzen leiten,
Denn ohne ihn pflegt jedes Weib aus seinem Wirkungskreis zu schreiten!"











Aus: Gerda Weiler, Der aufrechte Gang der Menschenfrau. Eine feministische Anthropologie II






















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